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Der Herbst steht vor der Tür und mit ihm die windigste Jahreszeit. Über den Sommer hinweg hat man sich an das gefühlvolle Fliegen in leichtem Wind gewöhnt, man hat gelernt, den Drachen mit schmusenden Bewegungen durch die zarten Lüfte zu bewegen und ihn sanft zum Tricksen zu überreden. Jetzt, in den kräftigen Winden, heißt es, den Kite mit harten und aggressiv an den Lenkschnüren reißenden Bewegungen zu steuern.

Doch selbst wenn man wirklich zackig fliegt, ist der Drachen häufig so schnell und zugstark, dass Tricks nicht so richtig gelingen wollen. Also sind entweder ventilierte Modelle gefragt oder man muss sich überlegen, wie man die Drachen, die man bereits besitzt, langsamer macht und wie man den Druck aus dem Segel nimmt. Zu diesem Zweck sind Bremssegel, Vorsegel, Nappies, Flaps, Fuzzy Lines oder "Spoilerz" wie wir sie Ihnen in diesem Artikel vorstellen möchten, bestens geeignet. Man kann mit diesen Hilfsmitteln mit geringem Aufwand und finanziellem Einsatz den Windbereich seines Drachens deutlich vergrößern.

Nappies (Windbrakes)
Manche Hersteller, wie beispielsweise die schwäbische Manufaktur Level One, rüsten ihre Drachen schon von Haus aus mit diesen effektiven Windbremsen aus. Meist werden die Windbrakes aus Gaze oder Fahnenstoff gefertigt, manchmal (z.B. beim Easy) werden sie aus Spinnakernylon hergestellt. Nappies werden zwischen den Flugschnüren und der Waage befestigt und bremsen den Vortrieb des Drachens in nicht unerheblichem Maße. Da weniger Vortrieb gleichzeitig weniger Zug bedeutet, ist diese Version der Windbremse sehr gut geeignet, dem Drachen etwas mehr Starkwindtauglichkeit zu verleihen. Ein Nachteil dieses Bremssystems ist, dass sich hierdurch das Windfenster deutlich verkleinert und dass sich, wenn man Pech hat, diese Bremse bei radikalsten Tricks am Kielstab verfangen kann. Doch bei wirklich starkem Wind sind die Nappies eine der effektivsten Methoden, den Drachen zu bremsen. Zudem kann man häufig eine Windbrake an unterschiedlichen Drachen montieren, sodass dieses System noch vielseitiger wird.

Flaps (Bikinis)
Flaps werden zwischen die Standoffs gespannt oder, wenn der Drachen auf jeder Segelseite nur einen Standoff besitzt, von einem Standoff über den Kielstab zu dem auf der gegenüber liegenden Segelseite geführt. Populär wurden diese Bremsen durch den Jam Session von Invento / HQ-Design, bei dem sie zum Standard-Lieferumfang gehörten. Auch sie werden gewöhnlich aus Gaze genäht und auch sie bremsen den Drachen gut ab. Gegenüber den Nappies ist, bedingt durch die gewöhnlich kleinere Fläche, die Bremswirkung der Flaps zwar meist deutlich geringer, doch dafür kann dieses System beim Trickflug nicht herumschlackern und sich am Drachen verfangen. Auch Flaps verkleinern das Windfenster etwas. Wenn der Wind sehr stark wird, bietet es sich an, Flaps und Nappies zu kombinieren.

Fuzzy Lines
Leider sind die wie Pfeifenputzer aussehenden Fuzzy Lines in Deutschland kaum erhältlich. Sie werden paarweise verwendet und gewissermaßen als eine Verlängerung der Flugleinen zwischen diesen und der Waage befestigt. Durch ihre flauschige Oberfläche bieten sie dem Wind eine große Angriffsfläche und setzen dem Vortrieb des Drachens einen bremsenden Widerstand entgegen. Zwar verlangsamen Fuzzy Lines den Drachen weniger stark als Nappies oder Flaps, doch besitzen sie auch nicht deren Nachteile. Sie verkleinern das Windfenster so gut wie überhaupt nicht und behindern niemals die Ausführung von Tricks. Das hier gezeigte Paar des Autors stammt aus England, wo Fuzzy Lines oft und gerne eingesetzt werden und selbst von Vierleinerpiloten, die ihren Drachen verlangsamen wollen, verwendet werden.

Vorsegel
Auf kaum einem Gebiet der Drachenbremsen wurde und wird so viel experimentiert, wie bei den Vorsegeln. Besonders Martin Schob, der Erfinder des TrickTails und des Utopia tüftelt seit Jahren an unterschiedlich geformten Vorsegelvarianten, um das Flugverhalten seiner Drachen bei kräftigerem Wind zu optimieren. Auch Jonas Seitz, der Designer des Skymax, und der Hersteller Flying Wings setzen auf dieses System. Vorsegel nehmen dem Drachen den Druck aus dem Segel, indem sie den Wind gewissermaßen "filtern", und verlangsamen ihn hierdurch. Hierbei verkleinern sie das Windfenster des Drachens nur sehr geringfügig und hindern, da sie gewöhnlich gut gespannt mit dem Drachen verbunden sind, die Ausführung von Tricks kaum bis gar nicht. Ein besonderer Vorteil von Vorsegeln ist ihre gut puffernde Wirkung bei plötzlich einfallenden Böen. Mit Vorsegeln herumzuspielen lohnt sich jedoch nicht bei allen Drachen. Bei den Lithiums, die Cloud Nine (das Team in dem der Autor fliegt) verwendet, konnte mit Vorsegeln kein befriedigendes Ergebnis erzielt werden. Nichts desto trotz: Häufig sind Vorsegel eine optimale Lösung, wenn es darum geht, einen Standard-Drachen in Winden zu fliegen, die eigentlich nach einem ventilierten Modell verlangen. Als Material für Vorsegel eignet sich neben Gaze auch Gardinenstoff, Fahnentuch und Fliegengitter ganz ausgezeichnet.

Spoilerz
Ein völlig neues und innovatives System der Windbremse hat Mark Reed, der kreative Kopf der US-Edeldrachenschmiede Prism, beim neuen Illusion vorgestellt. Die sogenannten "Spoilerz" werden - nomen est omen - als Spoiler zwischen der unteren Spreize des Drachens und dem Drachensegel angebracht, an dem sie mittels Klett- und Flauschpunkten befestigt sind. Sie sind, wie bei Prism fast nicht anders zu erwarten, aus Mylarlaminat gefertigt und werden als Sonderzubehör in einem schicken, kleinen Extraköcher angeboten. Über eine Knötchenleiter können sie schnell und einfach getrimmt werden, sodass sie, je nach Windstärke, unterschiedlich effektiv sind. Die "Spoilerz" funktionieren beim Illusion 2000 ganz ausgezeichnet. Sie bremsen den Drachen, nehmen Druck aus dem Segel und stören beim Trickflug kein bisschen. Durch sie kann man den Standard-Illusion bis knapp 40 km/h Windgeschwindigkeit kontrolliert fliegen. Nur die Waage des Drachens muss ein wenig verstellt werden, damit die "Spoilerz" optimal funktionieren. Ein System, mit dem zu experimentieren sich in jedem Falle zu lohnen scheint! Es wird spannend sein, zu sehen, was sich in den nächsten Jahren aus dieser cleveren Idee noch alles entwickeln wird.

Was kann man nun zusammenfassend über all diese Bremssysteme sagen? Natürlich gibt es hier, wie überall sonst auch, nicht das allein selig machende Universalkonzept. Auch hier gibt es Systeme, die an einem Drachen besser und am anderen schlechter funktionieren. Nappies verlangsamen jeden Drachen und verringern hierdurch immer den Druck, Flaps bauen weniger Geschwindigkeit ab, können sich aber, ebenso wie das Vorsegel, nirgends verfangen. Fuzzy Lines sind zwar eine klasse Sache, jedoch sehr, sehr schwierig zu kriegen und wahre Dreckfänger, wenn man in frisch gemähten Wiesen fliegt. Vorsegel sind bei manchen Drachen eine wahre Wunderwaffe gegen starken und böigen Wind, bei anderen Drachen bringen sie eher wenig. Und "Spoilerz"? Bislang kennen wir diese Bremsen lediglich vom Illusion 2000 und können noch nicht viel über ihre Wirksamkeit an anderen Drachen sagen. Vielleicht (hoffentlich!) hat dieser Artikel Ihre Lust geweckt, selbst ein bisschen zu tüfteln und zu experimentieren. Ein wenig Gaze (Fahnen- oder Gardinenstoff, etwas Mylarlaminat oder Spinnakernylon, ein Stückchen Fliegengitter...), ein paar Meter Saumband, Dacron, Waage- oder Gummischnur sind nicht teuer und finden sich ja vielleicht sogar in Ihrer Restekiste. Sie können mit geringem finanziellen und Arbeitsaufwand noch einiges aus Ihrem Drachen herausholen und sich unter Umständen die Anschaffung eines Vented-Drachens sparen, den Sie sowieso nur an einigen wenigen Tagen im Jahr fliegen können. In jedem Fall kann es sich eigentlich nur lohnen, ein Nappie oder ein Vorsegel, ein Paar Flaps oder "Spoilerz" zu basteln. Nur Mut!

Zum Schluss noch eine Bitte: Sollten Sie mit einem Bremssystem an einem bestimmten Drachen gute oder schlechte Erfahrungen gemacht haben, behalten Sie diese bitte nicht für sich. Teilen Sie uns und den anderen Drachenpiloten Ihre Erfahrungen doch bitte mit. Auf dieser Internet-Seite finden Sie auch ein Forum, in welchem Sie Ihre Erfahrungen einer breiten Öffentlichkeit zugänglich machen können. Dort können Sie mit Gleichgesinnten fachsimpeln und diskutieren, Tipps und Tricks erfahren und weitergeben oder Ihre Fragen anderen Piloten stellen. Gute Tipps und Tricks werden dann hier, in Ihrer Fachzeitschrift, veröffentlicht.

Serien-Nappies am Easy






Wolkenstürmer liefert beim Skylight Nappies mit






Flaps zwischen den Stand-Offs






Fuzzy-Lines im Einsatz






Sieht einfach aus - funktioniert gut






Gespanntes Vorsegel am Hornet






Mittel-Vorsegel






Beide Vorsegel am Hornet montiert






Spoilerz - am Illusion montiert






Spoilerz werden von Prism als Zubehör geliefert

Diesen Beitrag und noch viel mehr finden Sie in KITE&friends Ausgabe 4/02
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